Die kalte Witterung läßt die Gedanken klarer hervortreten, der Alltag mit seinen dummen Streitereien tritt zurück und macht wirklich Wichtigem Platz. Mein Nachbar erzählt mir, daß er in diesem Jahr beabsichtige, seine Tanne im Garten mit hübschen Lichtern zu schmücken. Wegen der Stimmung. Finde das toll.
Seit gestern hat mein Nachbar einen Tannenbaum
illuminiert. Kleine Lämpchen, ca. 20 Stück weiß. Sieht hübsch aus, sagt die
ganze Nachbarschaft. Habe beschlossen, mich solidarisch an der Weihnachtsstimmung
zu beteiligen und mich im Baumarkt nach kleinen Lämpchen umgesehen. Erstand
kurzentschlossen eine 50er Lichterkette mit extrastarken Lämpchen,
brilliantweiß. Werde sie gleich heute abend montieren.
Komische Sache. Mein Nachbar scheint meinen Wunsch zur
gutnachbarlichen Zusammenarbeit zwecks Verschönerung der Straße missverstanden
zu haben. Heute Morgen waren bei ihm sämtliche Tannenbäume sowie zwei
Kirschbäume mit Lichterketten versehen. Eine flüchtige Zählung mit dem
Feldstecher ergab eine Rate von mindestens 80 Lämpchen je Baum. Soll das ein
Wettkampf sein? Ist doch erwachsenen Menschen unwürdig.
Kam heute Mittag zufällig im Baumarkt vorbei. Wussten
Sie, dass man bei Abnahme von 15 Lichterketten a 150 Leuchteinheiten
Sonderrabatte erhält? Besonders effektvoll seien blinkende Ketten, vorzugsweise
die 250er-Einheiten mit Hochspannungs- sicherheitstransformator und induktiver
Anschaltung. Da ich das für übertrieben halte, habe ich für die große Tanne
lediglich 2 davon gekauft. Komme unter Einsatz von zwei Gummibäumen auf jetzt 14
behängte Gewächse. Ein Odem des Friedens geht vom Garten aus.
Eine Kampfansage. Mein verschwendungssüchtiger Nachbar
hat den kompletten Zaun mit Leuchtkörpern behängt. Ca. 1000 rhythmisch blinkende
Lampen in geschmacklosestem technicolor. Die Farbe bringt einen Stich ins
proletarisch-billige in die Weihnachtsbeleuchtung. Das bestätigt auch mein
Elektriker, der an unserer Fassade Leuchtsterne und die biblischen Motive
angebracht hat.
Die rhythmisch blinkenden Figuren an sämtlichen
Fenstern verursachen schlimme Kopfschmerzen, die auch bei Betrachtung meiner
neu angebrachten 5000-Watt-Licht-bogen-Himmelstrahler nur wesentlich besser
werden. Sie werfen rhythmisch zuckende Lichtfinger in den wolkenverhangenen
Himmel und geben einen interessanten Kontrast zu den lasergesteuerten Beamern,
die auf den Wolken interessante Bilder und Szenen aus der Weihnachtsgeschichte
schreiben. Dagegen sind die neu installierten Lauflichter an den Fassadenkanten
des Hauses meines intriganten Nachbarn geradezu lächerlich profan.
Hatte heute Besuch eines Technikers der städtischen Stromwerke, der den fulminanten Anstieg meines Stromverbrauches für einen Defekt im Leitungssystem hielt. Unsere Unterhaltung wurde stark gestört durch das elektrische Glockengeläut auf dem Nachbargrundstück, das mit 38 Kupferglocken elektronisch gesteuert die bekanntesten Weihnachtslieder spielt. Beim Weggehen meinte er kopfschüttelnd, ob ich nicht etwas gegen diesen Glockenradau unternehmen wolle. Zeige ihn meine neuen 2000-Watt Außenlautsprecher und die zugehörige Abspielstation für das Unterhaltungsband Stille Nacht. Heute Abend gehe ich auf Sendung.
Die Menschenmassen in unserer Straße nehmen langsam
unübersehbare Ausmaße an. Dabei kann ich voller Stolz feststellen, dass das Ausblasen von
feinen Silbersternen vor dem Haus die allgemeine Bewunderung auf dieser Seite
der Straße konzentriert. Da kann auch das Rentiergespann mit Kinderbelustigung
meines Nachbarn nichts daran ändern. Zumindest seit meinen kostenfreien
Ausschank von Getränken und der Verteilung von Gebäckteilen.
Etwas Merkwürdiges ist passiert. Die Stadtverwaltung hat
alle weihnachtlichen Zurschaustellungen in meiner Straße verboten, mit dem völlig
irrelevanten Argument, hier werde ein nicht genehmigter Weihnachtsmarkt
abgehalten. Ich bin fassungslos. Und das an Weihnachten, dem Fest des Friedens
und der Besinnung.
;) Eine kleine Anekdote über das
teilweise verrückte Lichterwettrüsten an Weihnachten. Oft sinnloser
Strom-verbrauch, verursacht durch hollywoodreife Inszenierungen einiger Häuser
im „Hilfe es Weihnachtet sehr“-Style.
Unser Fazit: Ein wenig Stimmung ist
ein Muss zur Weihnachtszeit! Jedoch bitte nicht übertreiben und wenn möglich
mit energiesparenden LED-Leuchten. Und am stimmungs-vollsten sind meist eh die
guten alten Kerzen…
Eine stimmungsvolle und fairgnügte
Weihnachtszeit euch allen!
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