Wie realistisch sind unsere Biovorstellungen? |
Stehe ich vor der Wahl ob Biofleisch oder nicht, dann schweifen
meine Gedanken zu über grüne Wiesen streifenden braunen Hühnern, zu sich im
Dreck wälzenden Schweinen und bis zum Horizont reichenden Rinderweiden. Diese Bilderbuch-vorstellungen
will ich mir auch ungern nehmen lassen. Wenn es den Tieren gut geht, bin ich
bereit auch mehr dafür zu zahlen, immerhin kostet Biofleisch ungefähr doppelt
so viel. Doch wie realitätsnah sind meine Biovorstellungen?
Ich habe mir dafür mal die EU-Verordnung für biologische und ökologische Produktion und die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung angeschaut. Die Biotiere, also die unter dem EU-Biosiegel in den Laden kommen, werden schon mal nicht komplett mit biologischen
Futtermitteln gefüttert. Die 100%-Bio-Fütterungsregel für Schweine und Geflügel
greift erst ab 2015. Bis dahin sind 5% konventionelle Eiweißträger in den
Futterrationen erlaubt. Dabei handelt es sich schlicht um Genfutter, um Soja. Mittlerweile
sind 90% des Sojaanbaus weltweit gentechnisch verändert. Auf dem Weltmarkt gibt es
fast kein gentechnisch freies Soja mehr und wenn, dann ist es deutlich teurer. Bei
den niedrigen Fleischpreisen lohnt es sich für Landwirte wirtschaftlich kaum, noch
mehr Geld für Futterkosten auszugeben.
Da die Biolebensmittelnachfrage nicht mehr allein mit der
Produktion aus deutscher Viehwirtschaft gedeckt werden kann, werden bereits 22%
des Bioschweinefleischs jährlich importiert. Also heißt Bio nicht zwangsläufig
auch regional.
Schmeckt ein Biotier nicht auch ganz anders, wenn es im
Laufe seines Lebens viel frische Luft und Platz hatte? Laut test.de beeinflusst
die Haltungsform den Geschmack nicht. Ausschlaggebend ist die Rasse. In der
Mast gängige Hybridschweine haben zwar sehr mageres Fleisch, sind aber
stressempfindlich und der macht das Fleisch beim Braten zäh und trocken. Um
Stress zu vermeiden bekommen sie mitunter Beruhigungsmittel. Ökobauern wollen das
vermeiden und bevorzugen daher lieber stressresistente Tiere, aber diese
wiederum setzen eher fettes Fleisch an.
Ist Bio wenigstens gesünder? Zwar sind bei Biotieren die präventive
Verabreichung von Hormonen und Antibiotika verboten, aber falls es die Behandlung
erforderlich macht, können auch diese Stoffe zum Einsatz kommen. Diese
Entscheidung ist reine Ermessenssache des Tierarztes. Somit haben die Biobauern
auch an dieser Stelle einen gewissen Handlungsspielraum.
Aber habt ihr gewusst, dass alle Tiere, egal ob Biohaltung
oder nicht, unter den gleichen Schlachtbedingungen ihren Tod finden? Auch wer denkt,
dass Biohühner als überschaubares Grüppchen aufwachsen, der irrt gewaltig. Laut
EU-Verordnung können in jedem
Bio-Geflügelstall bis zu 4800 Hühner bzw. 3000 Legehennen gehalten werde.
Biogeflügel hat zwar mit 81 Tagen eine ungefähr doppelt so lange Lebensdauer
wie ein konventionell gehaltenes Tier, aber trotzdem nur rechtlichen Anspruch
auf Zugang zum Freigelände während 1/3 seiner Lebensdauer. Unabhängig von der
Haltungsform sind auch das Aussortieren und die „Entsorgung“ der männlichen
Küken in den Brütereien.
Fassen wir zusammen: Biotiere kosten mehr, bekommen nicht zu
100% biologisches Futter, sind nicht unbedingt regional oder gesünder, schmecken
nicht zwangsläufig besser, sterben auf die gleiche Art und Weise wie Tiere aus konventioneller
Massentierhaltung und können durchaus Antibiotika intus haben.
Letztlich entspringt vieles von dem, was wir für biologisch
halten unseren öko-romantischen Vorstellungen. Wahrscheinlich müssen wir die zunächst
einmal an die Realität anpassen.
Ich finde ja man sollte schon einmal damit anfangen einfach die "Bilderbuch"- bilder von den Eierpackungen und Milchpackungen und Schokoladen zu nehmen und durch Realistische zu ersetzen,... so einfache Dinge würden schon reichen Menschen zum nachdenken zu bringen was sie da eigentlich essen... Für mich geht es nicht darum keine Tierprodukte zu essen aber sehr wohl bewusst zu wählen was ich esse und nicht einfach einem Bild oder Label oder Siegel zu vertrauen sondern zu hinterfragen!
AntwortenLöschenDanke für deinen Kommentar! Ich stimme dir zu, wir haben auch nicht die Absicht Leuten vom Fleischkonsum abzuraten, unser Ziel ist es lediglich anzuregen sich mal über die Hintergründe der Produktion Gedanken zu machen und kritisch zu hinterfragen was die eigenen Vorstellungen sind, die eben wie du schon richtig sagst, häufig sehr unrealistisch sind.
LöschenDa gebe ich dir vollkommen Recht! Diese Romantisierung bzw. Verschleierung der eigentlichen Tierhaltung soll schlicht und ergreifend zum Konsumieren ohne Nachdenken anregen!! Finde aber Siegel schon hilfreich, um zu entscheiden, was ich kaufen will bzw. guten Gewissens kaufen kann. Dass das EU Bio-Siegel nicht so viel kann, war aber fast klar.. Man siehe nur die Preise der Bio-Supermarkt-Produkte.
AntwortenLöschenEben, die Frage ist ja ob Bioqualität im Supermarkt überhaupt gewährleistet werden kann. Siegel finde ich auch gut, aber man sollte sich darüber im klaren sein, was jeweils rein rechtlich gesehen dahinter steckt. Wenn man beim Kauf sehr viel Wert auf das gute Gewissen legt, ists wahrscheinlich am besten Fleischprodukte nur beim Bauern den man kennt zu kaufen. Es grüßt Miriam von fairbesserungswürdig.
LöschenWie ich sehe, gehst Du in Deinem Text auf die EU-Ökoverordnung ein. Die Ergebnisse hierzu sind wirklich enttäuschend, das muss man leider zugeben. Ich möchte aber hinzufügen, dass ich einen deutlichen Unterschied sehe zwischen Produkten mit dem EU-Bio-Siegel und solchen aus Bioland-, Naturland- und Demeteranbau. Für letztere Siegel sind meines Wissens nach die Bestimmungen wesentlich strenger.
AntwortenLöschenDa stimmen wir dir zu. Das EU-Bio-Siegel setzt nur ein Mindestmaß für ökologische Produktion, hingegen hat Demeter deutlich strengere Richtlinien. Dort sind auch 100% Biofutter Pflicht, genaus wie die in der EU-Bioverordnung erlaubten strittigen Zusatzstoffe nicht verwendet werden dürfen. Außerdem muss für die Produktion unter dem Demetersiegel der Betrieb zu 100% umgestellt sein, dh. die schwammigen Übergangsregelungen der Bioverordnung finden hier keine Anwendung.
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