Bis 2015 wollen die EU und die USA
das Freihandelsabkommen Transatlantic Trade and Investment Partnership
(TTIP), auch bekannt als TAFTA, miteinander abschließen. Von seinen
BefürworterInnen dafür gelobt, dass es Wachstum in beiden Regionen fördern und
zu mehr Arbeitsplätzen führen soll, wird es von seinen GegnerInnen aus einer
Vielzahl verschiedener Gründen abgelehnt.
So komplex die Gründe der
KritikerInnen auch sind, werden sie in der öffentlichen Debatte häufig
reduziert auf eine übertriebene Angst vor Chlorhühnchen oder einen militanten
Widerstand gegen die Gentechnik. Dadurch wird die Kritik von den mächtigen
BefürworterInnen des Abkommens oft nicht ernst genommen und es wird davon abgelenkt, wie weitreichend die
Folgen des Abkommens für unsere Gesellschaft tatsächlich wären. Im folgenden
deshalb eine Übersicht über vier verschiedene, aber zusammenhängende
Kritikpunkte am geplanten TTIP.
1.
'Wer
flüstert lügt '- Der Verhandlungsprozess
Wie bei jeder Entscheidung lohnt es
sich, zuallererst einmal zu untersuchen, wer denn das Abkommen beschließen kann
und ob die BürgerInnen oder ihre VolksvertreterInnen einen Einfluss darauf
haben. Diese Frage ist keinesfalls so klar wie man meinen sollte. Es ist
offenbar umstritten, ob die einzelnen EU-Mitgliedsstaaten dem Abkommen am Ende
zustimmen müssen, oder ob es unabhängig vom Bundestag auf EU-Ebene beschlossen
werden kann.
Einmal beschlossen, soll es jedoch
kein zurück mehr geben. Eine Ausstiegsklausel sieht das Abkommen nicht vor und
eine Änderung wäre sehr schwierig, denn ihr müssten alle unterzeichneten
Mitgliedsstaaten zustimmen. Binden aber würde das Abkommen die Nationalstaaten
bis hinunter zu den Kommunalverwaltungen und betreffen würde es jede einzelne
BürgerIn.
Einen verwandten Kritikpunkt
betrifft die allgemeine Geheimhaltung des Verhandlungsprozesses. Die breite
Öffentlichkeit, aber auch Bundestagsmitglieder und sogar EU-Abgeordnete haben
nur begrenzten Zugriff auf die konkreten Inhalte des verhandelten Abkommens.
Das macht eine inhaltliche, demokratische Diskussion des Abkommens sehr
schwierig.
Von der Kommission immer wieder
öffentlich verkündet werden die Studien zu den Wachstumsprognosen durch das
Abkommen. 100 Milliarden Dollar Gewinn soll für die EU durch das Abkommen
herausspringen. Woher genau diese Zahlen kommen, ist etwas unklar. Eine
unabhängige 'High Level Working Group on
Jobs and Growth' soll die Befunde erarbeitet haben. Eine Liste der
VerfasserInnen ist aber nicht verfügbar und ihre möglichen Eigeninteressen an
einem Abkommen unklar.
Die fehlende Transparenz und
Verantwortlichkeit im Verhandlungsprozess, sowohl was die Inhalte, als auch was
die Entscheidungsfindung betrifft, ist in sich selbst höchst problematisch.
Grünen-Abgeordnete Dröge fordert, dass solche grundsätzlichen Uneinigkeiten
zuerst einmal geklärt werden, bevor einfach weiter verhandelt werde.
Die Geheimhaltung wirft noch dazu
eine naheliegende Frage auf: Warum werden die Inhalte geheim gehalten? Warum
fürchten die BefürworterInnen eine öffentliche Diskussion?
2.
Klage
gegen die Demokratie – Die Schiedsgerichte
Einer der umstrittensten Teile des
Abkommens betrifft die sogenannten Klauseln zum Investorenschutz. Unternehmen
können durch diese Klauseln Staaten wegen Gesetzen verklagen, die ihre
erwarteten künftigen Profite mindern. So etwa verklagt der amerikanische
Konzern Philipp Morris den australischen Staat gerade wegen seiner –
demokratisch legitimierten – Gesundheitspolitik, durch die abschreckende Bilder
auf Zigarettenschachteln abgebildet sind und fordert eine hohe Entschädigung
vom australischen Staat.
Ähnliche Klagen von amerikanischen
Unternehmen würden auf den deutschen Staat zukommen, sollte das Abkommen mit
dem Investorenschutz beschlossen werden. Privat bestellte Schiedsgerichte
würden über die Klagen entscheiden, die jenseits der staatlichen Justizsysteme
stehen und deren Entscheidungen bindend
sind.
BefürworterInnen des Abkommens
argumentieren, dass der deutsche Staat schon jetzt viele bilaterale Abkommen
über Investorenschutz mit anderen Ländern hat und es sozusagen auf eines mehr
oder weniger nicht ankommt.
Dieses Argument ändert aber nichts
an der prinzipiellen Problematik des Systems privater Schiedsgerichte für den
demokratischen Prozess. Nicht nur müssen die SteuerzahlerInnen in einem solchen
System dafür bezahlen, dass ein demokratisch beschlossenes Gesetz einem
internationalen Konzern Verluste beifügt, sondern bestimmte Gesetzte würden
womöglich gar nicht erst beschlossen werden, aus Angst vor zukünftigen
Entschädigungszahlungen.
Die Bundesregierung will die Frage
über eine Aufnahme der Investorenschutzklauseln auf eine spätere Phase in den
Verhandlungen verschieben, doch KritikerInnen sehen darin nur eine
Verzögerungstaktik. Obwohl der Investorenschutz viel kritisiert worden ist,
will die europäische Kommission ihn wohl beibehalten und schlägt lediglich eine
Reform des Instruments vor.
3. Chlorhühnchen
von oben - Umweltschutz und Verbraucher-schutz
Mit den Schiedsgerichten hängen auch
die Zukunft von Verbraucherschutz,- und Umweltschutzstandards zusammen. Was von
Seiten der UnternehmerInnen und anderer BefürworterInnen des TTIP als
'Harmonisierung' transatlantischer Standards gesehen wird, läuft für
KritikerInnen des Abkommens vor allem auf eine Herabsetzung aller Standards
zugunsten internationaler Unternehmensinteressen hinaus.
Hier sind sie nun also, die
Chlorhühnchen. Doch nicht nur sie. Das Unternehmen Monsanto drängt im Rahmen
der TTIP auf eine Zulassung genveränderter Nahrungsmittel in der EU, die amerikanische
Fleischindustrie auf eine Zulassung etwa des umstrittenen Wachstumshormons
Ractopamin bei der Fleischproduktion. Der Verband 'Airlines for America' will
mit dem TTIP die Abschaffung des europäischen Emissionshandelssystems
durchsetzen.
In unzählige Bereiche des
Gesellschaftslebens würden die Regelungen des TTIP eingreifen:
Energieversorgung und Arzneimittelpreise, Patente und Urheberrechte, Rechte von
ImmigrantInnen, die Nutzung von Rohstoffen und vieles mehr. BefürworterInnen
des Abkommens sehen im TTIP eine Chance die Standards in manchen Fällen auch
anzuheben. Der bisherige Verlauf der Verhandlungen aber, der vor allem auf
Seiten von Unternehmen stattfindet und die Öffentlichkeit ausschließt, lässt an
dieser Sichtweise Zweifel aufkommen.
4.
Gewinner
und Verlierer – Der Weltmarkt
Last but not least ein Kritikpunkt
am TTIP, der oft unter den Tisch zu fallen droht. Das Abkommen soll zwischen
den USA und der EU beschlossen werden, zwei Regionen die zusammen schon jetzt
den Weltmarkt rücksichtslos dominieren. Zwischen diesen beide Regionen sollen
die Handelsbarrieren für Unternehmen abgebaut werden damit ihre Konzerne die
Profite noch weiter steigern können.
In unserer höchst verflochtenen
Wirtschaftswelt aber würden die Folgen des Abkommens auf der ganzen Welt
gespürt werden. Vor allem Regionen, die schon jetzt marginalisiert und vom
Weltmarkt ausgeschlossen werden, wie etwa der afrikanische Kontinent, würden
als Folge des Abkommens noch mehr Schwierigkeiten haben, konkurrenzfähig zu
wirtschaften und ihre Angebote über die Grenzen zu bringen. Armut in diesen
Regionen würde noch weiter verschärft werden und ein System reproduziert
werden, dass nur den westlichen, reichsten 1% der Weltbevölkerung einen
Anspruch auf Wohlstand zuspricht.
Das Misstrauen gegen das geheim
verhandelte TTIP hat vielzählige, kompliziert Gründe. Es gründet aber ganz
allgemein auf der Erfahrung, dass ein zunehmender Einfluss von internationalen
Unternehmensinteressen, meist eine Abnahme
sozialer Gerechtigkeit und ökologischer Nachhaltigkeit sowohl weltweit, als
auch innerhalb der Nationalstaaten bedeutet.
Beim TTIP geht es also bei weitem
nicht nur darum, ob es zukünftig Chlorhühnchen in den deutschen Supermärkten zu
kaufen geben wird oder nicht. Es geht darum, welche Interessen in den
Vordergrund gerückt werden und ob Wirtschaftswachstum wieder einmal das letzte
Wort hat. Es geht darum, ob Unternehmensinteressen wichtiger sind als
demokratische Prozesse und Umweltschutz. Es geht darum, wie Entscheidungen
getroffen werden und wer sich daran beteiligen darf. Es geht in gewisser Weise
um den Wert der Freiheit selbst, wie die Freiheit definiert wird – und von wem.
Weiterführende Lektüre:
(Gastbeitrag von Lisa Schweiger)